Ganzfeld-Elektroretinogramm (ERG)

Ganzfeld-Elektroretinogramm (ERG)

Das Licht aus der Umwelt wird im Auge durch die Linse auf die Netzhaut fokussiert. Lichtempfindliche, hochspezialisierte Netzhautzellen (Photorezeptoren) reagieren bei Lichteinfall mit einer Spannungsänderung. Diese Spannungsänderung wird über andere Netzhautzellen (u.a. Bipolarzellen) weitergeleitet und moduliert und erreicht über die Ganglienzellen den Sehnerven und das Sehzentrum im Gehirn. Die Summe der Spannungsänderungen, die dabei in den verschiedenen Gruppen von Netzhautzellen auftreten, kann mit dem ERG gemessen werden. Die Netzhaut funktioniert wie ein sehr aufwendiger Computer, der die Lichtinformation verarbeitet, und das ERG erlaubt, einen Teil der Funktionen dieses Computers zu messen

Das wird dadurch erleichtert, dass im Auge die Spannungsänderung an die Augenoberfläche (Hornhaut) weitergeleitet wird. Um die Netzhautfunktion zu messen, muss man nur empfindliche Elektroden (ähnlich wie Kontaktlinsen) auf die mit Tropfen betäubte Hornhaut setzen. Zur exakten Messung sind zwei weitere Elektroden erforderlich, die auf die Haut geklebt werden. Als Untersuchungsgerät dient ein so genanntes Ganzfeld. Das ist eine innen weiße Kugel, in der Lichtblitze erzeugt werden, um die Netzhaut in standardisierter Form zu belichten. Der Untersuchte muss während der Untersuchung in diese Kugel hineinschauen. Zur gleichmäßigen Ausleuchtung der Netzhaut ist außerdem erforderlich, dass die Pupillen mit Tropfen erweitert werden. Daher darf im Anschluss an die Untersuchung kein Fahrzeug gefahren werden. In der Regel können beide Augen gleichzeitig untersucht werden.Verschiedene Zellgruppen in der Netzhaut erfüllen verschiedene Aufgaben. So sind bei den Photorezeptoren die Stäbchen für die Erkennung von sehr schwachem Licht und die Zapfen für die Erkennung von sehr hellem Licht und die Unterscheidung verschiedener Farben zuständig. Bei den Bipolarzellen gibt es Zellen, die nur die Information ‘Licht an’ oder ‘Licht aus’ weitergeben können. Um diese verschiedenen Funktionen der Netzhaut differenziert messen zu können, wird die Beleuchtung der Netzhaut gezielt verändert. Einerseits kann die Hintergrundbeleuchtung der Ganzfeld-Kugel aus- oder eingeschaltet werden, zum anderen werden Lichtreize unterschiedlicher Helligkeit eingesetzt. Dadurch kann man sehr genau die Funktion der verschiedenen Gruppen von Netzhautzellen beurteilen.
Vor Beginn des ERGs ist eine 30 Minuten dauernde Anpassung an Dunkelheit (Dunkeladaptation) erforderlich, damit die Funktion der Stäbchen gemessen werden kann. Dies erfolgt mit ganz schwachen Lichtblitzen, die schrittweise heller werden, bis auch die Zapfen mitreagieren. Anschließend erfolgt eine 10 Minuten dauernde Anpassung an Licht (Helladaptation), bevor die Funktion der Zapfen gemessen werden kann. Dies geschieht sowohl mit einzelnen hellen Lichtblitzen als auch mit einer Reizung durch rasch flimmerndes Licht. Die längste Zeit beim ERG muss sich das Auge entweder an die Dunkelheit oder die Helligkeit anpassen, diese Empfindlichkeitsänderung der Netzhaut kann nicht beschleunigt werden. Unter Einschluss der Anpassungszeiten dauert die Ableitung eines ERGs ca. 55 Minuten. Mit den gleichen Elektroden kann im Anschluss ein multifokales ERG abgleitet werden.

Als Ergebnis erhält man im ERG die Messkurven von Spannungsänderungen der Netzhaut auf definierte Lichtblitze. In dieser Kurve lassen sich verschiedene Anteile unterscheiden: z.B. A-Welle (stammt vorwiegend von den Photorezeptoren) und B-Welle (vorwiegend von den Bipolarzellen). Wenn man die gemessenen Kurven bei verschiedenen Lichtbedingungen und jeweils die A- und B-Welle beurteilt, kann mit dem ERG unterschieden werden, ob und welche Netzhautzellen in welchem Ausmaß betroffen sind. So sind bei einer Zapfen-Stäbchendystrophie die Zapfen am stärksten betroffen und die Antworten bei hellen Lichtblitzen am stärksten verändert. Bei der Retinitis pigmentosa ist es umgekehrt, die Stäbchen sind am stärksten betroffen. Bei bestimmten Erkrankungen (z.B. kongenitale stationäre Nachtblindheit, Retinoschisis, aber auch bestimmte Durchblutungsstörungen) sind besonders die B-Wellen verändert.
Das ERG misst eine Summenantwort der gesamten Netzhaut. Wenn Erkrankungen der Netzhaut nur die Netzhautmitte (Makula) betreffen, kann das ERG normal sein, da die Netzhautmitte nur einen Anteil von ca. 5% an der gesamten Netzhaut hat. Zur spezifischen Untersuchung der Makula ist daher ein multifokales ERG erforderlich.
Das ERG erlaubt eine Feststellung der Art und des Ausmaßes einer Netzhautfunktionsstörung. Einige Erkrankungen können nur mit dem ERG richtig erkannt werden, bei anderen Erkrankungen ist das ERG eine wesentliche Hilfe in der Diagnostik. Durch die Feststellung des Ausmaßes einer Funktionsstörung ist das ERGs auch für die Beurteilung der Prognose einer Erkrankung wesentlich. Bei allen Patienten mit Verdacht auf eine vererbbare Netzhautdegeneration sollte mindestens einmal ein ERG abgeleitet werden, um eine sichere Diagnosestellung zu gewährleisten. Gelegentliche (nach ca. 1-2 Jahren) ERG Kontrollen erlauben die Beurteilung des Verlaufs. Innerhalb wissenschaftlicher Studien ist das ERG wichtig für die Beurteilung der Netzhautfunktion.